Beitrag: Oberbürgermeisterwahl 2025: Leerstand vermeiden und bezahlbaren Wohnraum ermöglichen
Bochum im Spaetherbst 10.12.2020 –

Bochum im Spaetherbst 10.12.2020 - (Foto: Sebastian Sendlak / DeFodi)

Bezahlbarer Wohnraum und trotzdem Leerstand. Das sind die Themen im zweiten Teil der Serie zur Oberbürgermeisterwahl 2025. Hier muss laut den Kandidaten gehandelt werden.

Bochum wählt am 14. September einen neuen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin. Im ersten Teil der Serie ging es um Arbeitsplätze und Gründer. Nun stehen bezahlbarer Wohnraum und wie leerstehende Gebäude neu genutzt werden können, im Vordergrund. Dazu haben Jörg Lukat (gemeinsamer Kandidat von SPD und Grüne) und Dr. Andreas Bracke (CDU) im Deutschen Bergbaumuseum Stellung bezogen. Susanne Schneider (FDP), Nadja Zein-Draeger (gemeinsame Kandidatin von Volt/Die Stadtgestalter), sowie die parteilosen Kandidaten Sahver Münch und Pardis Parinejad haben ihre Standpunkte in schriftlicher Form mitgeteilt. Die Kandidaten sind sich einig, dass Wohnraum bezahlbar sein muss und neue Konzepte benötigt werden, um die Menschen in Bochum zu halten.

Außerdem gibt es Denkanstöße, wie Leerstand vermieden werden kann. Hier muss genau hingeschaut werden, um was für eine Immobilie es sich handelt und ob diese ggf. anders genutzt werden kann.

Anmerkung dieser Redaktion: Lena Maria Christina Bormann (Die Partei), Jens Lücking (UWG) und Wiebke Köllner (Die Linke) sind ebenfalls angefragt worden. Bis zum genannten Redaktionsschluss hat von diesen Kandidaten keine Antwort vorgelegen.

Bezahlbarer Wohnraum wird knapp – für junge Familien, Senioren, Studierende. Wie wollen Sie diesen sichern?

Jörg Lukat (SPD/Grüne): Die Zielrichtung mit der Maßgabe, dass 800 Wohnungen pro Jahr neu gebaut werden sollen, ist eindeutig. Die Hälfte davon dann im sozialen Wohnungsbau. Das ist etwas, was wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Ein herausragendes Ziel, was auch in den letzten Jahren nicht immer erreicht wurde. Aber es wurde auch schon erreicht und da muss man sich dran setzen. Das bedeutet, man muss Investoren finden, die verlässliche Verwaltungsarbeit auch erleben. Man muss hinsichtlich der Genehmigungsverfahren versuchen, das schnellstmöglich umzusetzen. Nicht mehr immer nur in eine Verdichtung oder eine Versiegelung von Flächen zu gehen, sondern das kreativ angehen, was eine sogenannte Innenentwicklung bedeutet. Also im bestehenden Baubereich dann tatsächlich auch mal in die Hinterhöfe zu schauen. Man muss schauen, inwiefern man Dachgeschosserweiterung umsetzen kann. Man muss schauen, wie man gegebenenfalls leerstehende Lokale auch zu Wohnraum umgestalten kann. Das macht die verschiedenen Bereiche, wo Innenstadt-Flair rüberkommt, liebens- und lebenswert.

Dr. Andreas Bracke (CDU): Auch das ist für uns ein ganz wesentlicher Punkt, Leben in die Innenstadt bringen. Da ist es natürlich so, wir haben in den Lagen in der Innenstadt oben in den ersten, zweiten Etagen teilweise ehemalige Praxisräume, teilweise Büroräume haben, die nicht mehr genutzt werden. Und da wäre ein Ziel, wieder Leben in die Innenstadt zu bringen, Familien dort anzusiedeln. Ich glaube, das würde insgesamt die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt deutlich optimieren. Wir haben viele junge Familien, die in den Speck abwandern, Richtung Süden, Richtung Witten, teilweise auch in den Norden. Und insofern müssen wir schauen, dass wir die Leute alle hier in Bochum halten. Dafür müssen wir bezahlbaren Wohnraum anbieten. Da ist definitiv in Bochum eine sehr heterogene Struktur.

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Susanne Schneider (FDP): Bürokratie schafft keinen Wohnraum. Daher setze ich bei bezahlbarem Wohnraum auf Bauen statt Bremsen: schnelleres Planen und Bauen ermöglichen, Genehmigungsverfahren digitalisieren und Investitionen in den Wohnungsbau anreizen. Dauert ein Planungs- oder Genehmigungsverfahren überdurchschnittlich lange, soll dies nicht länger das Problem der Antragsteller sein. Künftig soll ab einer bestimmten Frist eine Genehmigungsfiktion gelten. Neue Wohngebiete sind bevorzugt auf bereits vorgenutzten Flächen zu entwickeln – etwa Industriebrachen oder ehemaligen Gewerbestandorte. Chancen bieten auch mehr Bebauung in zweiter Reihe und Nachverdichtung. Die VBW als städtisches Wohnungsunternehmen muss weiterhin die Quartiersentwicklung in einem wirtschaftlichen Mix vorantreiben.

Nadja Zein-Draeger (Volt/Die Stadtgestalter): Ich werde mich dafür einsetzen, dass die am 28.05.2025 vom Rat der Stadt Bochum verabschiedete Wohnraumschutzsatzung ein wirkungsvolles Instrument für die Bekämpfung von Wohnraumleerstand wird. Dafür muss

  1. ausreichend Personal und die notwendigen Mittel für die Ermittlung und Beurteilung von Langzeit-Wohnungsleerstand zur Verfügung gestellt werden. Der Bochumer Rat hat beschlossen, hierfür nur eine Vollzeitstelle einzurichten. Das ist viel zu wenig für geschätzt 7.000 leerstehende Wohnungen.
  2. jede Form von Wohnraum, der langfristig leer steht, konsequent und mit höchster Priorität ermittelt und beurteilt wird.
  3. die Stadt Bochum alle durch die Wohnraumschutzsatzung gegebenen Mittel mit Hochdruck einsetzt, um geeigneten Wohnraum schnellstmöglich auf den Wohnungsmarkt bereitzustellen.

Mietwucher nach dem Wirtschaftsgesetz § 5 konsequent zu verfolgen und zu ahnden und unbebaute Grundstücke, für die Baurecht besteht, mit der neuen Grundsteuer C zu belegen.
Mit Azubi-Wohnheimen kann im Segment der Single- und kleinen Wohnungen Entlastung auf dem Wohnungsmarkt realisiert werden und gleichzeitig werden Auszubildende finanziell entlastet. Gewinne der VBW sollen nicht mehr auszuschütten, sondern für Bau und Sanierung von Wohnungen verwendet werden.
Durch den Kauf von Belegungsrechte von Wohnungen mit auslaufender Sozialbindung durch die Stadt Bochum kann der Bestand an Sozialwohnungen gesichert werden, so wie es die neue Wohnraumschutzsatzung vorsieht. Endlich sollen die vielen Möglichkeiten zur Schaffung von Wohnraum im Bestand angepackt werden – hier passiert viel zu wenig. Gründe können sein, dass

  • den Eigentümern nicht klar ist, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
  • den Eigentümern nicht klar ist, welche Möglichkeiten sie haben, neuen Wohnraum entstehen zu lassen.
  • die Eigentümer den Aufwand scheuen, Baumaßnahmen anzupacken.
  • die Eigentümer die durch die Umsetzung von Baumaßnahmen anfallenden Kosten scheuen.

Die Stadt Bochum muss deshalb aktiv auf Eigentümer zugehen und informieren, motivieren und Anreize schaffen bei Planung, Finanzierung und Genehmigungen unterstützen.

Sahver Münch (parteilos): Bezahlbarer Wohnraum ist für Familien, Seniorinnen und Senioren und junge Menschen unbedingt notwendig. Der Mensch muss sich in seinem Zuhause wohlfühlen und im Mittelpunkt stehen, nicht nur die Rendite. Kooperationen mit Genossenschaften, Wohnungsbaugesellschaften und der Stadtentwicklung, um erschwingliches Wohnen zu ermöglichen. Investoren unterstützen, die Wohnraum bereitstellen, wie ganz aktuell die Q-burg in der Hustadt. Das Unterstützen von Mehrgenerationshäusern und Gemeinschaftsgärten fände ich persönlich sehr vorteilbringend.

Pardis Parinejad (parteilos): Die Stadt muss aktiv Flächen für Wohnprojekte bereitstellen. Über die VBW als städtische Wohnungsbaugesellschaft haben wir einen Hebel, um modernen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Vonovia und die Stadtwerke Holding könnten ihre Anteile erhöhen und damit frisches Kapital bereitstellen.

Was planen Sie gegen Leerstand – etwa in Stadtteilen wie Wattenscheid, Werne oder Langendreer, im Verhältnis zu Neubaugebieten wie in Gerthe, wo es nicht um sozialen Wohnungsbau geht? Und welche Vorstellung haben Sie vom öffentlichen Raum in der Innenstadt?

Jörg Lukat (SPD/Grüne): Also, im bestehenden Baubereich auch mal in die Hinterhöfe schauen. Man muss schauen, inwiefern man Dachgeschosserweiterung umsetzen kann. Man muss schauen, wie man gegebenenfalls leerstehende Lokale auch zu Wohnraum umgestalten kann. Das macht die verschiedenen Bereiche, wo Innenstadt-Flair rüberkommt, liebens- und lebenswert.

Dr. Andreas Bracke (CDU): Wir haben Stadtbereiche, wo wir relativ viel neue Wohnungen haben. Wir haben andere, wo das weniger der Fall ist. Ich glaube, wichtig ist der Mix.
Und da würde ich sogar auch Herrn Lukat zustimmen, dass wir im Bestand natürlich schauen müssen, was wir an Möglichkeiten haben, auch bestehende Immobilien weiterzuentwickeln.

Susanne Schneider (FDP): Den Wert vorhandener Gebäude möchte ich noch stärker in den Fokus nehmen. Bestehende Potenziale in Stadtteilen wie Wattenscheid, Werne oder Langendreer möchte ich aktivieren – mit Zwischennutzungskonzepten, Erleichterungen für Eigentümer und vor allem einfachen, unbürokratischen und nachvollziehbaren Umnutzungsregeln. Der öffentliche Raum in der Innenstadt muss Aufenthaltsqualität bieten und Sicherheit ausstrahlen. Daher setze ich mich für einen ganzheitlichen Lösungsansatz mit Citymanagement, Ordnungspartnerschaften und Veranstaltungsförderung ein. Wir brauchen weniger Schilderwald, bessere Beleuchtung, mehr Sauberkeit und kluge Gestaltung. Gemeinsam mit den Eigentümern möchte ich die Begrünung von öffentlichen sowie privaten Flächen und Gebäuden ausbauen.

Nadja Zein-Draeger (Volt/Die Stadtgestalter): Laut Wohnraumschutzsatzung stehen im Bochumer Stadtgebiet mindestens 7000 Wohnungen seit mehr als 6 Monaten, 3000 seit mehr als 12 Monaten leer und stehen nicht zur Vermietung. Die Dunkelziffer dürfte sicher noch höher sein, denn die genannten Zahlen basieren auf den Zahlen der von Stromzählern abgeklemmten Wohnungen. Hier besteht ein großes Potenzial, Wohnraum zu reaktivieren. Hinzu kommt das Potenzial der Wohnraumentwicklung im Bestand.
Betrachten wir hingegen die großen Eingriffe in ökologische und klimatische Funktionen der z.T. sehr großen Flächen, die bebaut werden oder bebaut werden sollen, stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit der bisherigen Strategie.
Nicht zu vernachlässigen ist, dass die politischen Entscheidungen immer wieder große Proteste in der Bürgerschaft bewirkt haben. Zivilgesellschaftlich organisiert, habe ich in den vergangenen Jahren mehrere Bauvorhaben analysiert und bei der Erarbeitung von Anträgen zur Optimierung oder zum Stopp der Bauvorhaben mitgewirkt. In einem Fall haben wir schon sehr früh in der Planungsphase ein hydrologisches Gutachten zum Planvorhaben gefordert, denn das Plangebiet von 2,4 ha liegt in einer ca. 2 m tiefen Bodensenke und in einem ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet. Diese Fläche diente bislang als natürliches Regenrückhaltebecken und die Anwohnerinnen und Anwohner waren sehr besorgt, dass sie nach Zuschüttung und Versiegelung dieser großen Fläche bei Starkregenereignissen extrem gefährdet sein könnten. Von Seiten der Stadtverwaltung wurde das Gutachten zunächst verweigert. Erst nach dem Starkregenereignis vom 14.07.2021 wurde das Gutachten, das letztendlich zum Ergebnis hatte, dass auf dieser Fläche keinesfalls gebaut werden darf, in Auftrag gegeben.
Sahver Münch (parteilos): „Austausch und Transparenz“ – in den betroffenen Stadtteilen mit Leerstand kann man nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern kreative und idealerweise kurzfristige Nutzungskonzepte entwickeln. Etwa für Wohnen, Kultur und Nachbarschaftstreffs. Auch, um Begegnungen zu ermöglichen. Aber auch hier ist die Stadt bei Nutzungsänderungen oder Neugründungen mit einfacher Bürokratie gefragt. Auch Neubaugebiete müssen sozial ausgewogen und gut durchdacht gestaltet werden. Idealerweise auch mit Mitwirkung der dort lebenden Menschen.
Der öffentliche Raum in der Innenstadt ist für mich absolut beliebig. Die Innenstadt soll, wie früher, zum Verweilen einladen. Ich wünsche mir begrünte Plätze mit bequemen Sitz- und Spielgelegenheiten (idealerweise auch noch mit Wasserspielen), die auch im Dunklen gut beleuchtet ist und im Idealfall auch noch teilüberdacht ist. Für solche grünen Oasen könnten auch kleine Patenschaften (von Unternehmen, Gartenbetrieben, Kitas und Schulen …) übernommen werden. Eine öffentliche Beachvolleyballfläche im Sommer und im Winter eine Eisfläche wäre ein Traum.
Pardis Parinejad (parteilos): Ich werde Programme zur Umnutzung von Leerständen auflegen und Eigentümer zur Modernisierung motivieren. Der öffentliche Raum in der Innenstadt muss attraktiver und sicherer werden – mit mehr Begrünung, Sauberkeit und Aufenthaltsqualität. Prestigeprojekte wie das ‚Haus des Wissens‘ werde ich aus finanziellen Gründen auf Eis legen.

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