Mit Gefühl und Grifftechnik: Achim Vohl bringt sehbehinderten Menschen Judo bei – und wird dafür von der Stadt geehrt. Im Budo Sportclub Linden e. V. verbindet er Inklusion, Disziplin und Selbstvertrauen zu einem Kurs.
Ein starker Griff, eine klare Ansage, ein gemeinsames Ziel: Vertrauen, Selbstbewusstsein und Teilhabe. Seit Jahren setzt sich Achim Vohl mit bemerkenswertem Engagement für Menschen mit Sehbehinderung im Kampfsport ein – und wurde dafür nun von der Stadt Bochum geehrt.
Mit dem Tastsinn zur Technik
Im Budo Sportclub Linden e. V. 83 ist er nicht nur Trainer, sondern auch Möglichmacher. Einmal die Woche – donnerstags von 18 bis 19:30 Uhr – leitet Vohl den inklusiven Blinden-Judo-Kurs. Ein Kurs, der mehr ist als Sport: „Wir haben dem Ganzen den Namen Kanjiru-Jitsu gegeben, das bedeutet so viel wie anfühlen“, sagt Armin Schönberner, erster Vorsitzender des Vereins. Denn genau darum geht es: durch Berührung Techniken vermitteln, Vertrauen schaffen, Selbstbewusstsein fördern.
Was für Sehende eine scheinbar simple Abfolge aus Griffen und Würfen ist, erfordert für Menschen mit Sehbehinderung eine völlig neue Herangehensweise. Vohl erklärt: „Im normalen Jiu-Jitsu ist der Blickkontakt wichtig – den können blinde oder stark sehbehinderte Menschen nicht aufbauen. Also zeigen wir die Techniken über den Tastsinn.“ Er führt Arme, demonstriert Bewegungen körperlich – und macht so für viele erlebbar, was zuvor undenkbar schien.
Eine Idee, die beim Tandemfahren entstand
Für Vohl ist die Auszeichnung vor allem eine Anerkennung für den Verein: „Ich sehe das stellvertretend für unsere ganze Arbeit hier. Die Einladung zur Ehrung durch den Oberbürgermeister hat mich natürlich gefreut – aber auch überrascht.“ Seit 24 Jahren ist er im Jiu-Jitsu aktiv, angefangen hat alles mit Dirk Trautmann, den er beim Tandemfahren kennenlernte. „Er brauchte jemanden, der ihn einführt. Ich hab gesagt: Wir versuchen’s einfach.“
Dirk Trautmann sieht heute nur noch hell und dunkel. Trotzdem steht er Woche für Woche auf der Matte – mit Begeisterung. „Für mich ist der Sport kein Mittel zur Selbstverteidigung. Ich will meinen Körper fordern und den Kopf freibekommen“, sagt er. Achim Vohl zeigt ihm alle Bewegungen durch gezieltes Führen, klare Kommunikation ist dabei entscheidend: „Ich muss wissen, was passiert, sonst kann ich nicht reagieren. Wenn mein Partner mir sagt, dass er angreift und mit welcher Technik, kann ich mich darauf einstellen.“
(Bilder: Sebastian Sendlak)
Inklusion beginnt auf der Matte
Dass so ein Training funktioniert, ist keine Selbstverständlichkeit. Techniken müssen angepasst werden, körperliche Nähe wird anders wahrgenommen. „Es gibt leider auch übergriffige Menschen“, sagt Armin Schönberner. „Kampfsport hilft, sich in solchen Situationen zu behaupten – und stärkt das Selbstbewusstsein.“ Auch Bezirksbürgermeister Marc Gräf war beeindruckt, als er sich selbst ein Bild vom Training machte – und schlug Vohl für die Ehrung vor.
Petra Budeck, ebenfalls im Verein aktiv, freut sich über die Auszeichnung: „Daumen hoch – es ist toll, dass Achims Einsatz gesehen wird.“ Auch Susanne Sommer vom Vereinsvorstand weiß, was das Engagement bedeutet: „Wir haben lange Wartelisten, der Bedarf ist riesig. Aber Probetraining ist nicht nur für das Kind – sondern auch für uns. Wir wollen nicht lehren, wie man besser zuschlägt. Es geht um Disziplin, Selbstvertrauen und gegenseitigen Respekt.“
Mit Kanjiru-Jitsu hat der Budo Sportclub Linden mehr als nur ein sportliches Angebot geschaffen. Es ist ein Raum der Begegnung – zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, mit dem Ziel, gemeinsam zu wachsen. Möglich gemacht durch Menschen wie Achim Vohl, die hinschauen, anpacken – und anderen damit neue Wege eröffnen.
INFO
📍 Blinden-Judo im Budo Sportclub Linden e. V. 83
📆 Jeden Donnerstag, 18–19:30 Uhr
📩 Mehr Infos unter: www.bsc-linden.de