
Romeo und Julia allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie
(c) Matthias Horn
Wenn Shakespeare gewusst hätte, was aus seiner Tragödie werden kann, hätte er vielleicht gleich in der Sprache der 1970er geschrieben – mit Fönfrisur, Glitzerhemd und Gitarrenriffs. In den Bochumer Kammerspielen wagten Barbara Bürk und Clemens Sienknecht das Unmögliche: Sie verwandelten „Romeo und Julia“ in ein musikalisches Klamauk-Spektakel, das irgendwo zwischen Monty Python und Robin Hood – Helden in Strumpfhosen pendelt.
Schon der Titel gibt die Richtung vor: kein klassisches Shakespeare-Drama, sondern eine freche Collage aus Text, Musik und allem, was in eine Theatershow passt, solange es Spaß macht. Die Bühne gehört einem selbsternannten „Shakespeare-Club“, der sich mit bewundernswerter Hingabe durch die bekannteste Liebesgeschichte der Welt stolpert.
Was folgt, ist keine Tragödie, sondern ein zweistündiges Vergnügen mit Gesang, Tanz und Wortwitz. Romeo trägt Lederjacke, Julia vielleicht Plateauschuhe – und beide wissen nicht so genau, ob sie sich lieben oder nur eine Diskokugel teilen wollen. Bekannte Melodien aus Pop und Klassik tauchen auf, verschwinden wieder, werden übersetzt, verdreht und verjazzt. Das Publikum weiß oft nicht, ob es sich im Globe Theatre oder bei Saturday Night Fever befindet.
Slapstick mit Methode
Die Inszenierung nimmt weder sich selbst noch Shakespeare ernst – und das ist ihr größter Charme. Pannen gehören dazu: Ob ein falscher Einsatz oder ein umgefallenes Requisit, man weiß nie, ob es Absicht oder Versehen ist. Die Schauspieler überspielen alles mit so viel Spielfreude, dass selbst Shakespeare im Grab leise kichern dürfte.
Das Ensemble zeigt, dass es mehr kann als Ulk: Hinter den Slapstick-Einlagen steckt solides Handwerk. Die Darstellerinnen und Darsteller sind nicht nur komödiantisch, sondern auch musikalisch bestens ausgebildet. Gitarren, Trompeten, Akkordeon – alles kommt zum Einsatz. Selbst das tragische Ende wird hier zur großen Showeinlage mit ironischem Unterton.
Rund 440 Zuschauer erlebten bei der Premiere am Freitagabend ein Theaterfest, das eher an ein Konzert mit Sketch-Einlagen erinnerte als an ein klassisches Bühnenstück. Die Stimmung war ausgelassen, das Gelächter häufig und ehrlich. Am Ende gab es Standing Ovations – verdient für eine Inszenierung, die das Theater nicht zu ernst nimmt, aber sehr ernst betreibt.
Fazit
Wer Shakespeare liebt, sollte dieses Stück sehen.
Wer Shakespeare nicht liebt, erst recht.
Denn „Romeo und Julia – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“ beweist, dass Kultur Spaß machen darf – und dass man selbst aus einem 428 Jahre alten Liebesdrama eine spritzige, musikalische Komödie machen kann. Es ist noch einige Male in den Kammerspielen des Schauspielhauses zu sehen.
Oder, um es mit Shakespeare zu sagen: „Love is blind – but laughter sees everything.“
