
Dr. Manfred Keller in der Bochumer Synagoge
(c) Sebastian Sendlak
Rabbiner Dr. Moritz David prägte über 35 Jahre das religiöse, soziale und kulturelle Leben der jüdischen Gemeinde Bochum. Sein Wirken bleibt Vorbild für Engagement, Bildung und Toleranz.
Dr. Manfred Keller erinnert an Rabbiner Dr. Moritz David anlässlich seines 150. Geburtstags. David habe das jüdische Leben in Bochum über drei Jahrzehnte geprägt, sei ein Verfechter liberalen Judentums gewesen und habe Bildung, Sozialarbeit und Religionsausübung eng verbunden. Auch Oberbürgermeister Jörg Lukat betont die Bedeutung jüdischen Lebens über die Shoah hinaus. Ein Brief von David aus dem Jahr 1947 zeigt zudem, wie er den Wiederaufbau der Bochumer Gemeinde nach dem Holocaust unterstützte. Historiker und Archivleiter beleuchten die Synagogen-Einweihung, öffentliche Konflikte mit Antisemiten und Davids nachhaltiges Vermächtnis.
Lebensweg und Wirken von Dr. Moritz David
Dr. Manfred Keller erinnert an Rabbiner Dr. Moritz David, den ersten Rabbiner der Bochumer jüdischen Gemeinde. David sei am 18. Dezember 1875 in Gimsheim bei Worms geboren worden und habe nach Studien in Breslau, Erlangen und Berlin 1897 promoviert sowie die Rabbinerausbildung abgeschlossen. 1901 hat er seine einzige Amtsstelle in Bochum angetreten und die Gemeinde über 35 Jahre geprägt.
Keller erklärt, dass David ein Vertreter des liberalen Judentums gewesen ist und zugleich den innergemeindlichen Zusammenhalt gefördert habe. Neben Predigten und Seelsorge habe er Bildungs- und Sozialarbeit unterstützt: Religionsunterricht an Schulen, Gründung des Vereins für jüdische Krankenpflegerinnen 1920 und der Rabbiner-Dr.-Moritz-David-Stiftung 1924, Mitbegründung der Wanderarbeiterfürsorge im Ruhrgebiet. Seine Predigten habe man als intellektuell anspruchsvoll und tröstend beschrieben.
Antisemitismusstreit von 1919
Thomas Weiß, Leiter des Stadtarchiv Hattingen, schildert den Antisemitismusstreit von 1919, in den David mit den evangelischen Pfarrern Johannes Zaulek und Philipp Klose geraten sei. Die politischen und gesellschaftlichen Unsicherheiten nach dem Ersten Weltkrieg hätten rechte und völkische Gruppierungen genutzt, um Juden die Schuld an Krieg und Niederlage zuzuschieben.
David habe öffentlich Stellung bezogen und betont, dass „die Schuld an den Ereignissen des Krieges und seiner Folgen nicht einem einzelnen Volksteil zugeschoben werden dürfe“. Klose habe ihn als Vertreter einer fremden Rasse bezeichnet. David habe dagegen bestanden, dass er „als deutscher Jude Teil dieses Volkes“ sei und dass Patriotismus und jüdischer Glaube „keinen Widerspruch bilden“.
Einweihung der Herner Synagoge 1911
Hans-Jürgen Hagen, Leiter Stadtarchiv Herne, beschreibt die Einweihung der Herner Synagoge 1911 als „Zeichen von Selbstbewusstsein und Zugehörigkeit“. Das Gebäude sei ein „repräsentatives Sakralbauwerk“ gewesen und habe die gesellschaftliche Etablierung der jüdischen Gemeinde symbolisiert.
David habe in seiner Weihe-Rede betont, dass Gott nicht an Mauern gebunden sei und das Gotteshaus „ein Ort innerer Einkehr und Gemeinschaft“ sei. Zugleich habe er die Synagoge als „Wahrzeichen des friedlichen Einverständnisses zwischen allen Bekenntnissen“ bezeichnet und zur Bürgersinnigkeit und Menschlichkeit aufgerufen.
Erinnerung und Bedeutung für die Gegenwart
Oberbürgermeister Jörg Lukat bezeichnet seinen ersten öffentlichen Auftritt in der Synagoge als „ausgesprochen passend“. Die jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen sei „eine große Bereicherung für diese Stadt“ und habe tiefe historische Wurzeln in Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.
In Bezug auf David erklärt Lukat, dieser habe „wie ein Löwe für seine Gemeinde im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit gekämpft“ und gezeigt, dass „Fremdwahrnehmung nicht zur Eigenwahrnehmung werden muss“. Lukat zieht eine Parallele zur Gegenwart: Heute sei es wieder riskant, sichtbar jüdisch zu sein, weshalb gemeinschaftliches Engagement gegen Hetze entscheidend sei.
Bilder: Sebastian Sendlak
Brief von 1947: Hoffnung und Kontinuität
Dr. Kai Rawe vom Bochumer Stadtarchiv, stellt einen Brief von David aus dem März 1947 an Siegbert Vollmann vor. David habe darin seine Erfahrungen seit der Emigration 1939 nach Großbritannien und Australien geschildert, von Internierungslagern berichtet und die Trennung von seiner Frau thematisiert.
Zugleich habe er Glückwünsche an die wiederaufgebaute Bochumer Gemeinde gesendet und seine Freude über die neuen Gemeinderäume geäußert. Der Brief zeige die Bedeutung von Kontinuität, Solidarität und religiöser Praxis nach den Verheerungen des Holocausts.
Dr. Keller, Thomas Weiß, Hans-Jürgen Hagen, Jörg Lukat und Dr. Kai Rawe machen deutlich, dass Rabbiner Dr. Moritz David ein prägender Teil der Bochumer Stadtgeschichte sei. Sein Engagement in Bildung, Sozialarbeit und Religionsausübung sowie sein mutiger Einsatz gegen Antisemitismus machten ihn zu einem Vorbild. Die Lehren aus seinem Leben seien bis heute relevant: jüdisches Leben zu stärken, Antisemitismus aktiv zu bekämpfen und kulturelles Erbe zu pflegen.
