Rubin berichtet über Forschung zu Inszenierung medizinischer Erkenntnisse in der Frühen Neuzeit
Anatomische Theater der Frühen Neuzeit hatten weniger mit moderner Medizin als mit Inszenierung und Bildung zu tun. Das hat Kunsthistorikerin Prof. Dr. Christine Beese vom Arbeitsbereich Architekturgeschichte der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Ihre Forschung zeigt, dass es sich bei den historischen Theatern um architektonisch gestaltete Bühnen handelte, in denen Wissenschaft zur Schau gestellt wurde – mit Sezierungen als Teil öffentlicher Vorlesungen.
Zuschauer saßen auf hoch aufragenden Rängen im Kreis, von denen sie freien Blick auf den Seziertisch in der Mitte hatten. Die Atmosphäre war theatralisch: Kerzenschein statt Kliniklicht, Musik in den Pausen, naturphilosophische Vorträge in Anlehnung an Aristoteles. Ziel war nicht die Diagnose von Krankheiten, sondern ein idealisiertes Verständnis des menschlichen Körpers als Teil eines göttlichen Schöpfungsplans.
„Die Anatomie war Teil eines umfassenden Bildungsprogramms“, so Beese. „Man ging davon aus, dass der Mensch als Mikrokosmos den Makrokosmos abbildet.“ Die Räume dienten nicht nur der wissenschaftlichen Erkenntnis, sondern auch der ästhetischen Vermittlung.Beese plädiert dafür, die historischen Räume stärker als Kunstwerke zu betrachten: „Der Kunstcharakter war Teil der Wissensproduktion.“ Ein ausführlicher Beitrag zur Forschung ist im aktuellen Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität Bochum erschienen.